MDR Thüringen zu den Protesten bei Siemens

Erfurter Siemens-Mitarbeiter protestieren erneut

08.11.2017 | Mit Appellen und einer Foto-Collage sind Erfurter Siemens-Mitarbeiter erneut vor ihr Generatorenwerk gezogen. Um Kündigungen zu vermeiden, erwägt der Konzern derzeit, Arbeitsplätze in die ostdeutschen Werke zu verlagern.

Erneut haben rund 400 Siemens-Beschäftigte in Erfurt gegen den Verkauf ihres Werks protestiert. Um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, brachten sie am Dienstag vor dem Generatorenwerk unter anderem eine Collage von Fotos mit Gesichtern von Mitarbeiten an. Bernd Spitzbarth von der IG Metall Erfurt sagte, "das sind die Gesichter, die Erfurt bei einem Verkauf verliert".

Beim geplanten Stellenabbau stellte Siemens den Arbeitnehmern am Dienstag einen Kompromiss in Aussicht. Um Werke in Ostdeutschland zu retten, erwägt der Konzern, Arbeitsplätze in die neuen Länder zu verlagern und nicht zu streichen. Neben Erfurt gibt es in der Kraftwerkssparte von Siemens Werke in Görlitz und Leipzig. Aus Unternehmenskreisen hieß es, dass bei den Aktionären geworben werden soll, beim Drang nach Profitabilität etwas nachzugeben. Vielleicht müsse man einen Prozentpunkt an der Gewinnspanne opfern und dafür den Menschen eine Perspektive geben.

"Das ist klassische Spaltungspolitik"

Die Gewerkschaft zeigte sich wenig begeistert von den Plänen, Arbeitsplätze in die ostdeutschen Werke zu verlegen. Spitzbarth sagte am Dienstag, "das ist klassische Spaltungspolitik". Er kritisierte auch, dass sich Standort- und Konzernleitung der Belegschaft gegenüber mit solchen Überlegungen bedeckt hielten. "Wir haben erst aus den Medien davon erfahren." Bei der Kundgebung warf Spitzbarth dem Dax-Konzern außerdem Wortbruch vor. In einem Abkommen seien betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen ausgeschlossen.

Das Unternehmen verweist hingegen auf eine Klausel in dem Pakt, wonach sich Firmenseite und Arbeitnehmer zusammensetzen und nach Lösungen suchen können, falls alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Gewerkschaft reagierte am Dienstag skeptisch auf die Aussagen. "Wenn das Unternehmen glaubt, dass wir uns jetzt an den Verhandlungstisch setzen und das Ganze nur noch glatt ziehen, täuschen sie sich", sagte ein IG-Metall-Sprecher. Der Erfurter Betriebsrat Lutz Modrow warb vor dem Generatorenwerk für Solidarität. Jetzt sollte keiner gegen den anderen ausgespielt werden. Die Belegschaft dürfe nicht für Fehler des Managements büßen.

Über 4.000 bedrohte Arbeitsplätze wird spekuliert

In der Kraftwerkssparte sowie im Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe will Siemens wohl mehrere Tausend Jobs streichen. Über bis zu 4.000 bedrohte Arbeitsplätze wird spekuliert. Auch mögliche Standortschließungen sind im Gespräch. Siemens bekommt in der Kraftwerkssparte den Boom für erneuerbare Energien und den Trend zur dezentralen Energieversorgung zu spüren, der für einen Nachfrageschwund bei großen Gasturbinen mit Preisdruck und Überkapazitäten gesorgt hat. Nachdem 2011 noch fast 250 Gasturbinen mit einer Leistung von mehr als 100 Megawatt verkauft wurden, werden es in diesem Jahr nur noch rund 120 sein.

Anfang des Monats hatten sich alle Parteien im Thüringer Landtag für den Erhalt des Generatorenwerks in Erfurt ausgesprochen. Die Politiker sehen bei einer Schließung nicht nur die 700 Arbeitsplätze im Werk des Traditionsunternehmens, sondern auch weitere 700 Jobs bei Zulieferern in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gefährdet.

Quelle: MDR THÜRINGEN / dpa

Von: jz

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